15 Monate Schul-Cloud – ein persönlicher Blick

UnsereTeilnahme am Projekt HPI Schul-Cloud des Hasso-Plattner-Institutes (HPI) in Zusammenarbeit mit dem nationalen Excellence-Netzwerk MINT-EC hat sich inzwischen gejährt. Ein rundum spannendes Projekt, an dem teilzunehmen in vielerlei Hinsicht ein Gewinn ist, wenngleich sicher auch Schwierigkeiten in der Umsetzung auf unterschiedlichen Ebenen zu konstatieren sind.

Den Beginn des Projektes markierte neben unserer Interessensbekundung und Auswahl als Pilotschule das Schul-Cloud-Forum im April 2017. Hier haben wir Lehrkräfte einen ersten Einblick in die HPI Schul-Cloud bekommen, auch wenn diese aufgrund des Kick-Offs und dem damit verbundenen Start des Projekts noch über recht wenige Funktionen verfügte und bei uns Lehrern zunächst für Enttäuschung sorgte. Im Laufe des letzten Schuljahres nahm die HPI Schul-Cloud dann aber funktionsfähige Gestalt an und die Vertreter der zunächst 27 Pilotschulen in verschiedenen AG’S die Arbeit auf.

Die Nutzung der HPI Schul-Cloud am Marianum umfasst inzwischen einen Oberstufenkurs sowie den gesamten Jahrgang 7, der parallel im Januar 2018 die Arbeit mit den digitalen Lernbegleitern aufnahm.

Die HPI Schul-Cloud kann dabei die Arbeitsphasen unterstützen, in denen die digitalen Lernbegleiter zum Einsatz kommen. Zwei Aspekte sind dabei besonders hervorzuheben, zunächst einmal auf der arbeitstechnischen Seite die Kombination der HPI Schul-Cloud mit IServ.

IServ bietet als Radius-Server eine hervorragende Dateiablage und für den schulischen Bereich mit E-Mail und (leider recht rudimentärem aber vermutlich auch weitgehend überholtem) Forum klassische Kommunikations-Tools, außerdem Kalender, Buchungs-, Aufgaben-, Stundenplanmodul sowie ein Etherpad , es fehlt aber eine intuitiv und unkompliziert gestaltbare ansprechende Oberfläche á la Wiki oder WordPress, die als Grundlage für die Unterrichtsvorbereitung nutzbar ist.

Natürlich kann diese eben als Wiki zum Beispiel innerhalb der IServ-Dateiablage eingerichtet werden oder über eine eigene Website – es gibt zig denkbare Lösungsansätze, denen allen gemein ist, dass sie gewisse Grundkenntnisse der Lehrer voraussetzen, die bei den sogenannten „IT-affinen“ KollegInnen zu finden sind, ein Gros des Kollegiums aber außen vor lassen. Dies gilt ebenso für einige der integrierten Module. Während der E-Mail-Austausch und die Dateiablage auch für die meisten Lehrer der „IServ-Schulen“ inzwischen zur Normalität gehören und sie aufgrund der Notwendigkeit regelmäßiger Anwendung auch mit den Modulen für Stundenplan, Klausurenplan oder Raumbuchung halbwegs klar kommen, trifft dies auf die Module zur Erstellung von Aufgaben oder das Etherpad oder gar die Möglichkeit zur Erstellung von Umfragen kaum zu, sie führen nach meiner Erkenntnis ein eher stiefmütterliches Dasein, vielen KollegInnen ist deren Existenz kaum bekannt.

Nun sind das aber eben jene Module und Funktionen, die bei der zeitgemäßen Digitalisierung des Unterrichtes zur Anwendung kommen können und auch sollten.

Hier kommt auch auf der lehrer- und unterrichtstechnischen Seite die HPI Schul-Cloud ins Spiel. Sehr vorteilhaft für die kollegiale Vorbereitung und den Austausch ist die unkomplizierte Möglichkeit zur Weitergabe von Unterrichtsthemen, die mit einem einfachen Code übernommen und anschließend individuell angepasst werden können.

Gerade im Sinne der Multiplikation in schulinternen Fortbildungen sollten dem Kollegium einfache und intuitiv bedienbare Werkzeuge an die Hand gegeben werden, um digitale Elemente in den Unterricht einbinden zu können. Hierfür sollte sich die Schule aber auf einen schulinternen Standard einigen, den Schüler wie Lehrer dann entsprechend vorrangig nutzen, denn zahlreiche Lehrer wie Schüler sind natürlich virtuos in der Lage im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterschiedlichste Angebote, Dienste und Tools in ihren Unterricht einzubinden, diese Vielfalt ist grundsätzlich auch gut so und sogar wünschenswert – jedoch ist hier die Medienkompetenz auf der Schülerseite, insbesondere in den jüngeren Jahren, zu bedenken.

Am Marianum, beginnend mit ITG in Jg. 5 und fortgeführt insbesondere mit der Einführung der digitalen Lernbegleiter im 2. Halbjahr im Jg. 7, sind es unsere SchülerInnen, die ihre digitalen Kompetenzen entwickeln und denen in der Anfangsphase klare Strukturen vorgegeben müssen. Sie hier gleich zu Beginn mit einer Vielzahl unterschiedlicher Tools zu konfrontieren erscheint wenig zielführend. Zu Beginn müssen einfachste, uns erfahrenen Lehrern wohl vertraute Fähigkeiten entwickelt werden, beispielsweise ist hier das Stichwort der Datenhygiene zu nennen – wo speichere ich was so, dass ich es auch wiederfinde?!?

In ITG im Jahrgang 5 wird dieses Thema in verschiedenen Kontexten aufgegriffen und eingeübt, doch wir alle kennen die Problematik – ein verlässlicher Workflow stellt sich erst bei regelmäßiger Nutzung, bei den Schülern also ab 7.2, ein. Daher ist zunächst der Fokus zu legen auf IServ als zentraler Instanz bezüglich der Datenspeicherung. Zentrale App für eine einheitliche Arbeit mit den digitalen Lernbegleitern stellt Explain Everything dar und die HPI Schul-Cloud ist die Basis für eine einheitliche Strukturierung digital unterstützten Unterrichts. Hinzu kommen natürlich noch die Apps aus dem Office-Paket, Geogebra, … hier gibt’s einen Überblick über die auf den Lernbegleitern installierten universalen Apps.

Einführung der digitalen Lernbegleiter im Jg. 7 in Verbindung mit der Schul-Cloud

Der Grundidee der HPI Schul-Cloud wird die bisherige Nutzungsbeschreibung am Beispiel des Marianum nur bedingt gerecht, geht diese doch deutlich über die Nutzung als Website zur Strukturierungshilfe hinaus und bezweckt u.a. die Materialrecherche sowie den oben bereits beschriebenen Materialaustausch unter Lehrern zu befördern, als auch für technisch rudimentärer ausgestattete Schulen möglichst einfache Grundvoraussetzungen für den Einstieg in die digitale assistierte Unterrichtswelt zu bieten – dazu mehr auf den Seiten der HPI Schul-Cloud. Dies zeigt aber gleichzeitig deutlich die Chancen, die sich mit dem breit aufgestellten Projekt bieten, wenn jede Schule und darin jede Person individuell die zur Verfügung stehenden Module nutzen kann.

Interessant an der Stelle sind die Diskussionen in den sozialen Medien zu verfolgen, die im Extremfall schon in den Abgesang der HPI Schul-Cloud einstimmen – nach ella@bw, Logineo und Co kann doch die mit Bundesmitteln geförderte HPI Schul-Cloud auch nur noch krachend scheitern, oder?

Meines Erachtens unterscheidet sich der Entwicklungsprozess der unterschiedlichen Plattformen maßgeblich voneinander und stellt gleichzeitig die Stärke der HPI Schul-Cloud dar. Das zuvor als enttäuschend wahrgenommene erste Schul-Cloud-Forum im April 2017 zeugt davon, denn im Unterschied zu Auftragsarbeiten, bei denen Software entwickelt und im Wesentlichen als „fertiges“ Produkt dem Kunden präsentiert wird, startete die HPI Schul-Cloud eher als Ideensammlung, aus der peu á peu (agil) die HPI Schul-Cloud in enger Zusammenarbeit mit den beteiligten Nutzern gebaut wird – weshalb seinerzeit noch kaum Funktionen vorgestellt werden konnten.
Hier herrschte in der Folge große Offenheit und Neugier auf Seiten der Entwickler am HPI und bei MINT-EC ebenso wie seitens der eingebundenen Schulen und gleichzeitig war vor allem in der Anfangsphase spannend zu beobachten, wie so manche zentrale Idee für die HPI Schul-Cloud an der Schulrealiät abprallte und in den Hintergrund geriet.

Neben den im ersten Projektjahr regelmäßigen Treffen der verschiedenen Arbeitsgemeinschaften (Unterrichtsnutzung, Schulleitung, Administration – im kommenden Schuljahr, so verlautete seitens HPI und MINT-EC, soll im Zuge der Ausweitung auf mehr teilnehmende Schulen (Roll-out) eine regionale Vernetzung entstehen) in denen sich die Lehrer der Pilotschulen mit den Vertretern der Entwicklerseite austauschten, wurden zahlreiche weitere Treffen initiiert. Als Beispiel seien die Design-Thinking-Workshops in Potsdam genannt, auf denen die teilnehmenden SchülerInnen und LehrerInnen einerseits einen Einblick in die Methode des Design-Thinkings erhalten und dabei andererseits in den sogenannten„Challenges“ Ideen für die Weiterentwicklung der HPI Schul-Cloud erarbeiten und am Ende präsentieren.
Seitens der Entwickler werden Hackathons organisiert, zahlreiche Module entstehen im Rahmen von Bachelor- und Masterarbeiten, die Software ist Open-Source und kann über Github eingesehen werden.
Ob durch dieses Konzept eine tragfähige und schulalltäglich brauchbare Lösung entsteht, wird die HPI Schul-Cloud am Ende des Projektzeitraumes (07/2021) unter Beweis zu stellen haben.

Wir am Marianum, wie auch einige weitere Pilotschulen der HPI Schul-Cloud sowie zahlreiche niedersächsische Schulen, die Zugang zur „niedersachsen.cloud“ erhalten werden (N21 ist Kooperationspartner des HPI) und deren Server häufiger von IServ aus Braunschweig stammen, beobachten wohlwollend die enge Zusammenarbeit des Serverbetreibers mit dem HPI. Während der SSO (Single-Sign-on) bereits realisiert ist, wäre eine zukünftige Verschmelzung der Dateiablagen äußerst wünschenswert. Für IServ-Schulen ist deren Dateiablage ein „alter Bekannter“, eine weitere Datenebene in der HPI Schul-Cloud ist dagegen kontraproduktiv und führt zu unnötiger Verwirrung (zumal das Dateimanagement in der HPI Schul-Cloud zur Zeit noch nur sehr vereinfachte Funktionen bietet).
Weiterhin wäre diese Möglichkeit mit einem enormen Performance-Gewinn für die Schulen verbunden, wenn die Daten nur mehr zu einem geringen Teil per Datenleitung das Schulgebäude verlassen müssten sondern statt dessen schulintern auf dem Server gespeichert werden.
Hier wird sich zeigen, inwieweit auch ein eher großformatig angelegtes Projekt wie die Schul-Cloud auf die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Schulen eingehen kann. Aus dem HPI war zumindest zu erfahren, dass die modulare Entwicklung der Schul-Cloud durchaus Platz für die Einbindung solcher existierender Lösung, und somit begründete Hoffnung lässt.

Bei der Einbeziehung der Schul-Cloud in den Unterricht muss man sich zum jetzigen Zeitpunkt auch klar machen, dass die HPI Schul-Cloud nach wie vor ein Projekt ist, die Schulen werden deshalb ja auch „Pilotschulen“ genannt, das noch eher am Anfang seiner Realisierung steht. Das bedeutet, dass immer auch mit Problemen während des laufenden Betriebes zu rechnen ist, wenn beispielsweise ein Modul aufgrund von programmiertechnischen Veränderungen plötzlich vorübergehend nicht mehr funktioniert … dieser Umstand ist im Rahmen der Entwicklung sicher unvermeidbar, gleichwohl für Schulen aber eine besondere Schwierigkeit, denn um das Kollegium von der Nutzung einer neuen Technik zu überzeugen benötigt diese in erster Linie eine hohe Zuverlässigkeit!

Nun bleibt es spannend zu sehen, wohin die Reise der Schul-Cloud führt – diese Reise zu begleiten und vielleicht gar ein klitzekleines Stück weit mitzugestalten ist in jedem Fall lohnenswert, jeglicher Abgesang meines Erachtens verfrüht.